Bilal: Vier?

In DER SCHLAF DES MONSTERS ist Nike Hatzfeld 33. Sein legendär überentwickeltes Gedächtnis führt ihn zurück zu den ersten Tagen seines Lebens. Das war 1993. Jugoslawien zerbricht, bosno-serbische Granaten hageln auf die Klinik in Sarajewo. Dort teilt Nike das Bett und seine ersten Lebenseindrücke mit Amir und Leyla, Waisen wir er. Sein Schicksal wendet sich, als er sich erinnert, dass er mit achtzehn Tagen geschworen hat, die beiden wieder aufzuspüren und "immer zu beschützen".
Zwischen der Erinnerung an 1993 und der jetzigen Realität von 2026 erlebt Nike Hatzfeld eine krasse Zeitstauchung, er gerät in den Strudel einer religiösen obskurantistischen Apokalypse, als wären die Gene seines zukünftigen Selbst von 2026 bereits in seinem ersten Atemzug 1993 enthalten gewesen.Ein Totentanz tobt über den Planeten, erschüttert die Welt mit ihren Demokratien – in Szene gesetzt von einem Mann namens Optus Warhole, selbst ernannte „"nkarnation des Absoluten Bösen"...Nike und Leyla finden sich wieder. Amir dagegen überdauert die Zeiten mit Sascha, einem verstörten Mädchen, dem vierten Puzzleteil.

Im 32. DEZEMBER mausert sich Optus Warhole, der Vervielfältiger von Menschen, zum Künstler des Absoluten Bösen. Er pfeift auf Alles und Jeden, vom unendlich Großen, etwa einem abgrundtiefen Loch im Kosmos, bis hin zum unendlich Kleinen, zum Beispiel den Schicksalen von vier Menschen. Mag sein, dass er sich keine ganz durchschnittlichen Wesen ausgesucht hat: Nike, Leyla, Amir und ... Sascha.

Im dritten Band RENDEZVOUS IN PARIS scheint Nikes Versprechen Erfolg zu haben, das Waisenkinder-Trio aus Sarajewo wieder zu vereinen.

Doch erst in VIER?, nun wirklich der letzte Akt, gelangt er zum Ziel.

Er zeigt sich als rigoroser Interieurmaler, weit entfernt von dem Ingrimm aus DER SCHLAF DES MONSTERS und 32. DEZEMBER, als müsste er sich von einer allzu schwer lastenden Erinnerung befreien, um sein Gleichgewicht wieder zu finden, um überleben, lieben zu können. Der Endpunkt dieses letzten Teils ist bewusst ein Fragezeichen. Es ist paradox, dass am Ende einer solchen Reise – die Tetralogie wurde 1995 begonnen – das Fragezeichen den realistischen Hintergrund ironisiert, zumal der ja schon durch die vielschichtige Erzählweise stark entrückt war.

Die Tetralogie des Monsters ist ein Stück in drei Stimmen. Die von Nike, Leyla und Amir, der Waisen aus Sarajewo, in alle Welt verstreut. In erster Linie handelt es sich um eine Studie über Erinnerung. Enki Bilals "Geburtstort" ist seit seiner Zerschlagung bereits ein Land der Erinnerung. Es geht um individuelle und kollektive Erinnerung, in der sich schriftliche Zeugnisse vom Zusammenbruch Jugoslawiens vermischen mit Bildern einer verbissenen Angleichung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es geht auch um eine zukunftsweisende, potenzielle Erinnerung an einen Balkan ausgedehnt auf die übrige Welt. Diese Welt – das zu sagen muss erlaubt sein – ist der einzige Ort, den wir noch haben.


Zustand: Neu
Format: Album Großformat (24 x 32 cm), HC, farbig, 72 Seiten
ISBN: 978-3-7704-3136-6
Erschienen: November 2007

Zeichnungen / Text: Enki Bilal

Verlag: Ehapa Comic Collection
Sprache: deutsch
Genre: Drama • Sparte: Comic
Empfohlenes Lesealter: 16+

Bilal ist offensichtlich ganz im Bann dieser Geschichte. Eine Trilogie mit vier Bänden gibt es nicht allzu oft, aber den 32. Dezember suchten wir in unserem Kalender schliesslich auch vergeblich.